Samstag, 23. November 2013

eine ode auf das junge tirana ...

  
Nun sind wir seit zwei Monaten in Albanien. Es wird höchste Zeit, auch einmal einen Blick auf die Hauptstadt unseres Gastlandes zu werfen. Tirana, Tiranë (die aufmerksamen Leser mögen ich vielleicht an die Erläuterungen bezüglich der unterschiedlichen Schreibweise von Ortsnamen hier erinnern) oder im lokalen Dialekt gar Tirona liegt eigentlich nur 40 Kilometer von unserem Wohnort Durrës entfernt. Über die Autobahn erreichen wir in einer guten Viertelstunde den Stadtrand. Je nach Tageszeit und Verkehrsaufkommen sind aber dann schon weitere 30 bis 40 Minuten einzuplanen, bis man das Zentrum erreicht ist. In Albanien hat nach der Wende eine regelrechte Landflucht eingesetzt, worauf sich die Einwohnerzahl von Tirana in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Wobei so ganz genau weiss das eigentlich niemand. 2009 waren auf der Stadt rund 625'000 Personen gemeldet, obschon mit der Volkszählung zwei Jahre später interessanterweise "nur" noch 421'000 ermittelt wurden. Da in den Vororten Tausende von Personen nicht registriert sind, entspricht eine Zahl von nahezu 900'000 Einwohnern durchaus einer realistischen Schätzung. Bemerkenswert wenn man bedenkt, dass die Bevölkerungszahl von ganz Albanien mit knapp 3.2 Millionen beziffert wird.

Eine Verdoppelung der Einwohnerzahl binnen 20 Jahren schreit förmlich nach einem Chaos! Und genau so haben wir Kinder vom Land Tirana am Anfang auch erlebt. Gross, laut, schmutzig, vollgestopft, voller Baustellen, konzeptlos in Bezug auf die Infrastruktur und den Verkehr, teilweise heruntergekommen, obschon noch gar nicht fertiggestellt… eben, irgendwie einfach chaotisch. Und wir waren dankbar und froh, in Durrës wohnen zu dürfen und nicht in Tirana.

Zwei Monate später und nach unzähligen beruflichen Verpflichtungen und privaten Ausflügen haben wir jetzt ein ganz anderes, differenzierteres Bild von Tirana erhalten. Dabei haben wir bemerkt, dass offenbar gewisse äussere Umstände mit der Zeit normal und dadurch auch ausgeblendet werden. Wir haben den Blick des aussenstehenden Fremden auf das Ganze verloren. Dafür aber haben sich unsere Sinne für die kleinen Dinge, für die Details geschärft. Und siehe da, plötzlich entdeckt man ganz stilvoll eingerichtete Geschäfte und Kneipen, nimmt man die Bäume entlang den Strassen wahr, findet hübsche kleine Parks, bestaunt die interessanten Gebäude und Fassaden aus verschiedenen Epochen und in unterschiedlichsten Baustilen und stört sich auch nicht mehr daran, dass sie als Einheit eigentlich überhaupt nicht zusammen passen. Ja, Tirana hat viel Charme, Tirana sprüht vor Energie, Tirana feiert, Tirana gibt sich mondän und in Tirana herrscht insbesondere bei der jungen Bevölkerung Aufbruchsstimmung. Ab und an macht es zwar den Eindruck, dass man die Richtung des Aufbruchs noch nicht so wirklich benennen kann, aber das ist allemal besser, als ob all der real existierenden Notstände im Selbstmitleid zu versinken. Ja, wir haben richtig lebensfrohe, aufgeschlossene, gebildete und kultivierte jungen Menschen in Tirana getroffen. Vielleicht auch deshalb haben wir die Stadt inzwischen in unser Herz geschlossen.

Leider (oder zum Glück) lassen sich der Puls und die unvergleichbar Ausstrahlung von Tirana mit all seinen sympathischen, kleinen Nuancen nur schlecht auf Fotos festhalten. Die, auf dem Dach des Sky Hotels aufgenommenen Panoramabilder oben sind ein kleiner Trost. Unser Tipp lautet deshalb: Beim Planen der nächsten Städtereise unbedingt an Tirana denken!

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