Letzte Woche hatten wir ganz besonderen Besuch aus der Schweiz. Silvia, die Mutter von Stephan, seine Schwester Beatrice und ihr Partner Beat haben sich auf das "Abenteuer" eingelassen und uns hier in Albanien besucht. Während Stephan seiner täglichen (nach Schweizer Massstäben eher halbtäglichen) Arbeit nachgegangen ist, hat sich vor allem Veronika ins Zeug gelegt, um den Dreien möglichst viele Facetten und Eindrücke unseres Gastlandes zu zeigen. Wir durften vergnügte, spannende und auch skurrile Momente zusammen erleben (der Hardcore-Missionar mit der ZH Nummer am Roller lässt grüssen). Für uns war es aber auch sehr interessant zu beobachten, wie die Albanien-Neulinge die vielen Unterschiede und die Eindrücke aufnehmen würden, denn für uns ist Vieles bereits zur Normalität geworden. In gewissen Bereichen wie dem Verkehr, dem Lärm oder der Kurzfristigkeit und Planungsunsicherheit im Arbeitsalltag ist das auch absolut wünschenswert und in Ordnung, denn sonst würde man sich auf die Dauer sehr aufreiben. In anderen Bereichen wie dem Klima, der Hilfsbereitschaft, der Herzlichkeit und der Gastfreundschaft der Leute oder dem vorzüglichen Essen ist es eher schade, wenn solche tolle Aspekte einfach zur Normalität verkommen. Wie dem auch sei, rückblickend dürfen wir festhalten, dass sich unsere Gäste mit grosser Offenheit und Neugier auf die Woche eingelassen haben. Mami, Trix und Beat: Ihr ward toll und wir haben die Woche mit euch sehr genossen. Danke!
Einer der vielen Höhepunkte war der Ausflug nach Berat. Zur Feier des Tages, Beat hatte Geburtstag, hat auch Stephan frei gemacht und mit einem angeheuertem Chauffeur und einem komfortablen Minibus haben wir die rund 90 Kilometer Richtung Süden unter die Räder genommen. Und das kann dann schon etwas dauern, den auf rund der Hälfte der Strecke von Lushnjë bis Berat ist die Strasse in einem sehr schlechten Zustand. Alle paar hundert Meter klaffen riesige Löcher im Asphalt. Die (albanische) Begründung ist auch denkbar einfach, denn Berat gilt als Hochburg der Sozialisten und deshalb haben die Demokraten, welche das Land von 2005 bis Mitte 2013 regiert haben, auch keinerlei Anlass gesehen, nur einen einzigen Franken (oder eben Lekë) in den Unterhalt dieser Strasse zu investieren. Unvorstellbar würde man meinen, aber ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an den jahrelangen Baustopp der Autobahn auf der Berner Seite, nachdem die Abtrünnigen im Jura 1978 einen eigenen Kanton gegründet haben. Einmal mehr eine interessante Parallele. Vom Jura aber jetzt zurück auf die Strasse nach Berat. Nach dem Wahlsieg der Sozialisten in diesem Sommer wird zwar jetzt an der Strasse gearbeitet, aber bis zur Fertigstellung werden sicher noch Monate ins Land ziehen und bis dahin sind die vielen Baustellen eher noch zusätzliche Hindernisse.
Nach rund 2 Stunden abwechslungsreicher Fahrt hatten wir dann das erste Etappenziel erreicht: Weinkellerei Çobo. Ja, in Albanien gibt es nämlich auch eine alte Tradition für Weinbau und die Albaner machen auch richtig guten Wein. Und genau davon haben wir uns bei einer kurzen Führung und einer eher längeren Degustation überzeugen lassen. Es ist nicht so, dass uns gerade jeder vorgestellte Tropfen aus den Socken gehauen hätte, aber einem durchschnittlichen Roten aus dem Wallis vermögen die Weine hier durchaus Paroli zu bieten. Und irgendwie haben auch albanische Weine diese magische Wirkung, denn im Showroom der Weinkellerei kam langsam auch etwas Geburtstagsstimmung auf. Und die verbleibende halbe Stunde Fahrt nach Berat verging auch wie im Fluge.
Berat ist eine der ältesten Städte Albaniens und ist auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerben. Im Zentrum des Interesses liegt die Kalaja e Beratit, die Burg von Berat. Neben Kruja (vgl. Beitrag vom 28.10.2013) ist sie die einzige mittelalterliche Burganlage, die heute noch bewohnt wird. Innerhalb der Burgmauern leben nach wie vor rund 350 Familien. Die malerischen Steinhäuser mit ihren dicken Mauern und den hübschen kleinen Gärten scheinen sich seit Jahrhunderten nicht verändert zu haben. Exklusiv ist aber auch die tolle Aussicht vom Burghügel, die man bei schönem Wetter geniessen kann. Und einmal mehr hatten wir mit rund 25° Grad, Sonnenschein und strahlend blauem Himmel das Wetterglück auf unserer Seite. Und das im November! Die Aussicht auf die Stadt Berat, den Fluss Osum und die Gebirgsketten des Tomorri im Osten und des Shpirag im Westen waren einfach atemberaubend. Eine würdige Geburtstagskulisse für Beat!
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