Mittwoch, 14. März 2012

verkehrsfluss in albanien ...

So funktioniert der Strassenverkehr auf einer typischen albanischen Kreuzung. Keine Ampel, kein Polizist, keine Markierungen und keine erkennbaren Regeln. Und es funktioniert auch so!



P.S. Der Film ist nicht in Zeitlupe aufgenommen :-)

am strand von durrës ...

Nach meinem ersten Besuch in der Schule fuhr uns Maksim, der albanische Projektleiter zum Kaffee an den Strand von Durrës. Ein kurzer Spaziergang über den Strand liess mich erahnen, dass hier im Sommer ziemlich viel los sein muss. Ganz offensichtlich wurde hier nach dem Sturz der Diktatur und der allmählichen Öffnung des Landes ab 1990 ziemlich viel gebaut und investiert. Nachdem Albanien in den 90-iger Jahren insbesondere bei Besuchern aus den angrenzenden Ländern geboomt hatte, bleiben die Touristen gemäss Angaben unseres albanischen Freundes Maksim heute aber schon wieder weitgehend aus. Was bleibt sind unzählige unterbesetzte Hotels und leere Ferienwohnungen. Offenbar hat auch Albanien ein Zweitwohnungsproblem :-)

  

Das anschliessende Gespräch über Gott und die Welt und vor allem die eindrücklichen Erzählungen von Maksim aus der Zeit, als Albanien noch eine komplett isolierte kommunistische Diktatur war, werde ich so schnell nicht vergessen. Für uns ist ein Leben in der totalen Isolation und unter ständiger Überwachung, Bespitzelung und Repression gar nicht nachempfindbar. Auf jeden Fall aber hilft mir die Kenntnis dieser dunklen Seite der Geschichte Albaniens für mein Verständnis der noch immer spürbaren Probleme im Land. Wie soll ein Volk nach fast 45 Jahren Repression und Einschränkung jetzt plötzlich mit Werten wie Selbstverantwortung, Initiative oder Freiheit vernünftig umgehen? So läuft halt heute noch vielen nach einem staatlichen Plan, unabhängig davon, ob der Plan Sinn macht oder nicht und viele alt eingesessene Strukturen und Modelle sind noch immer spürbar. Allerdings hat die jahrelange Unterdrückung offensichtlich auch zu positiven Effekten in Albanien geführt. So war die albanische Bevölkerung zum Beispiel sofort bereit, während dem Balkankrieg zeitweise über 100‘000 Flüchtlinge aus dem Kosovo aufzunehmen und zu beherbergen. Viele albanische Familien haben einfach eines ihrer sonst schon raren Zimmer zu Gunsten einer Flüchtlingsfamilie geräumt. Das Wenige wurde einfach noch geteilt. Eine wahre Geste der Freundschaft und Menschlichkeit, die wir in unseren Bereitengraden inzwischen selten antreffen. Ein anderes Beispiel ist die (berufliche) Gleichstellung von Mann und Frau. Aus Tradition waren alle Berufe auch den Frauen zugänglich und so trifft man zum Beispiel in technischen Schulen und an Universitäten im Vergleich zur Schweiz viele weibliche Lehrkräfte an.

in der technischen berufsschule ...

Im Rahmen eines Teilprojekts innerhalb des AlbVET Programmes wurde im Herbst 2010 ein neuer Ausbildungsgang gestartet, in welchem in Anlehnung an die duale Berufslehre ïn der Schweiz Informatiker und Informatikerinnen mit einem möglichst hohen Praxisbezug ausgebildet werden sollen. Für uns tönt das relativ einfach und normal, ist aber in einem Land wie Albanien, in welchem das Bildungssystem traditionellerweise ausser dem universitären und damit rein theoretischen Werdegang keine Alternativen für Schulabgänger vorsieht, vergleichbar mit einer mittelgrossen Revolution. Weil der Ansatz der Berufslehre bis dato völlig unbekannt ist, stehen natürlich auch keine Betriebe zur Verfügung, welche die praktische Ausbildung der Lernenden übernehmen könnten, verschweige den finanziell mittragen wollen. Ausserdem ist die wirtschaftliche Struktur in der ICT in Albanien noch in den Anfängen und aus Sicht der rasanten Entwicklung und des Wachstums im Land besteht zwar durchaus ein Bedürfnis an Fachkräften, die mehr oder weniger professionell funktionierenden IT-Firmen können aber noch an einer Hand abgezählt werden.

Im neuen albanischen Modell übernimmt die Universität von Durres analog unserer Berufsschule die theoretische Ausbildung, während die Praxis in neu eingerichteten Werkstätten an einer staatlichen technischen Schule stattfindet. Als erste Studierende im neuen Ausbildungsgang hat das Bildungsministerium ziemlich pragmatisch 40 Absolventen und Absolventinen des Gymnasiums zugeteilt. Dabei wurde zwar sehr wohl auf die Gleichstellung der Geschlechter geachtet (Ja, die Hälfte der Lernenden sind jungen Frauen! Ein Zustand, von welchem wir in den technischen Berufen in der Schweiz nur träumen), andere Kriterien z.B. bezüglich der Eignung für die IT wurden aber ganz offenbar nicht berücksichtigt. So gibt es innerhalb der Gruppe durchaus Lernende, die vor dem Ausbildungsbeginn im vergangenen September noch nie einen Computer gestartet, verschweige denn bedient hatten.

Gestern hatte ich nun die Möglichkeit, der praktischen Ausbildung an der Shkolla Profesionale Beqir Cela beizuwohnen. Was ich dabei erleben und beobachten durfte, hat mich unter Berücksichtigung der schwierigen Ausgangslage und der noch jungen Projektgeschichte äusserst positiv überrascht und tief beeindruckt.

Der erste Eindruck des Schulhauses von aussen mit seinen vergitterten Fenstern und Eingängen erinnerte mich eher an ein Gefängnis. Auch das Innere des Gebäudes ist für unsere Verhältnisse sehr nüchtern gehalten und beschränkt sich ausschliesslich auf funktionale Aspekte. Ausser einigen Plakaten keine Bilder, keine Pflanzen, keine Sitzgelegenheiten. Einfach gekachelte Gänge mit hellblauen Wänden und schummrigem Neonlicht. Und ein ganz gewichtiger Mangel wird relativ schnell spürbar. Dem Schulhaus fehlte schlicht einen Heizung und obschon draussen die Sonne schien, erreichten die Temperaturen im Innern an diesem kühlen und windigen Frühlingstag keine 16 Grad! Der freundliche, aber sehr förmliche Empfang beim Direktor vermochte dann die Stimmung etwas zu erwärmen und gespannt ging es weiter in die zwei sogenannten Labors, in welchen die angehenden Informatiker/innen aufgeteilt in zwei Gruppen ihre praktische Ausbildung erhalten. Und was ich da erleben durfte, hat mich wirklich beeindruckt. Da sitzen die jungen Lernenden dick eingepackt in Winterjacken und mit Schal an ihren Computern und trotzen den widrigen Umständen mit Verständnis, grossem Interesse, mit viel Engagement, Konzentration und Motivation. Meine verwöhnten Lernenden in der Schweiz wären schon lange von dannen gezogen. Ganz grossen Respekt zolle ich aber den beiden jungen Berufsbildnerinnen (jawohl, auch die Coaches sind Frauen), die mit viel Einsatz, Herzblut und Engagement einen, für albanische Verhältnisse komplett neuen Ansatz mit der praktischen Ausbildung, umsetzen. Vor diesen beiden Frauen ziehe ich den Hut, denn wenn ich mich an meine eigenen ersten methodisch, didaktischen Gehversuche in einer Lehrwerkstätte vor bald 15 Jahren erinnere, dann bin ich mir den Schwierigkeiten und Herausforderungen durchaus bewusst. Und ich durfte damals auf ein wesentlich komfortableres Umfeld zählen und zudem ist der Ansatz mit der praktischen Arbeit bei uns seit Generationen etabliert und akzeptiert. Auf jeden Fall freue ich mich riesig, dieses tolle Projekt und die Berufsbildnerinnen in den nächsten Tagen unterstützen zu dürfen.

  

Montag, 12. März 2012

mirëpritur në shqipëri ...

Heute bin ich mit der Adria Airways von Zürich über Ljubliana nach Tirana geflogen, wo ich in den nächsten fünf Tagen die tolle Gelegenheit habe, das Albanian VET (Vocational Education Training) Support Program, kurz AlbVET, näher kennenzulernen. Der Flug über die österreichischen und slowenischen Alpen und mit Fensterplatz war schlicht herrlich, doch leider hatte ich die Kamera nicht griffbereit. Anfängerfehler...

Der moderne, saubere und gut organisierte Flughafen in Tirana liess mich bei meiner Ankunft in Albanien schon das erste Mal staunen. Dieser positive Eindruck verstärkte sich dann auch auf der Fahrt in die Büros von AlbVET in der Innenstadt von Tirana. Allerdings wurde der erste Eindruck auch durch ein, für schweizerische Verhältnisse unglaubliches Chaos auf den Strassen leicht getrübt. Hier möchte ich nicht unbedingt mit einem Mietwagen unterwegs sein :-) Egal, ganz offenbar wurde in Albanien in den letzten Jahren viel in die Infrastruktur investiert.

Nach einem Begrüssungskaffee mit einem ersten, spannenden und ausgiebigen Schwatz mit den Projektverantwortlichen haben wir die Zielsetzungen und die Details für die Arbeit während dieser Woche abgesprochen. Bei der Programmausgestaltung war dann prompt auch das erste Mal Flexibilität gefragt, denn am kommenden Mittwoch ist - für uns überraschend und unerwartet - in ganz Albanien ein Feiertag zu Ehren des Frühlingsbeginns. Entsprechend verlegen wir unseren ersten Besuch in den Ausbildungsstätten bereits auf morgen Dienstag. Ich freue mich sehr darauf.

Nach dem Briefing bei AlbVET ging es in einer rund halbstündigen Fahrt (das Verkehrschaos vom Nachmittag hatte sich inzwischen weitgehend aufgelöst) in die Küstenstadt Durrës, wo wir im Hotel Arvi unser Quartier für die nächsten Tage bezogen. Auch das Hotel hat mich sehr positiv überrascht und in Bezug auf den Standard muss es den Vergleich mit Hotels in anderen Ländern in Europa sicher nicht scheuen. Über die Stadt Durrës kann ich leider noch nicht viel berichten, denn bei unserer Ankunft war es bereits dunkel. Der nächtliche Ausblick aus dem Hotelzimmer stimmt mich aber zuversichtlich...

 

Nachtrag: Das Foto rechts zeigt den abendlichen Ausblick aus dem Hotelzimmer am nächsten Tag :-)