Mittwoch, 14. März 2012

in der technischen berufsschule ...

Im Rahmen eines Teilprojekts innerhalb des AlbVET Programmes wurde im Herbst 2010 ein neuer Ausbildungsgang gestartet, in welchem in Anlehnung an die duale Berufslehre ïn der Schweiz Informatiker und Informatikerinnen mit einem möglichst hohen Praxisbezug ausgebildet werden sollen. Für uns tönt das relativ einfach und normal, ist aber in einem Land wie Albanien, in welchem das Bildungssystem traditionellerweise ausser dem universitären und damit rein theoretischen Werdegang keine Alternativen für Schulabgänger vorsieht, vergleichbar mit einer mittelgrossen Revolution. Weil der Ansatz der Berufslehre bis dato völlig unbekannt ist, stehen natürlich auch keine Betriebe zur Verfügung, welche die praktische Ausbildung der Lernenden übernehmen könnten, verschweige den finanziell mittragen wollen. Ausserdem ist die wirtschaftliche Struktur in der ICT in Albanien noch in den Anfängen und aus Sicht der rasanten Entwicklung und des Wachstums im Land besteht zwar durchaus ein Bedürfnis an Fachkräften, die mehr oder weniger professionell funktionierenden IT-Firmen können aber noch an einer Hand abgezählt werden.

Im neuen albanischen Modell übernimmt die Universität von Durres analog unserer Berufsschule die theoretische Ausbildung, während die Praxis in neu eingerichteten Werkstätten an einer staatlichen technischen Schule stattfindet. Als erste Studierende im neuen Ausbildungsgang hat das Bildungsministerium ziemlich pragmatisch 40 Absolventen und Absolventinen des Gymnasiums zugeteilt. Dabei wurde zwar sehr wohl auf die Gleichstellung der Geschlechter geachtet (Ja, die Hälfte der Lernenden sind jungen Frauen! Ein Zustand, von welchem wir in den technischen Berufen in der Schweiz nur träumen), andere Kriterien z.B. bezüglich der Eignung für die IT wurden aber ganz offenbar nicht berücksichtigt. So gibt es innerhalb der Gruppe durchaus Lernende, die vor dem Ausbildungsbeginn im vergangenen September noch nie einen Computer gestartet, verschweige denn bedient hatten.

Gestern hatte ich nun die Möglichkeit, der praktischen Ausbildung an der Shkolla Profesionale Beqir Cela beizuwohnen. Was ich dabei erleben und beobachten durfte, hat mich unter Berücksichtigung der schwierigen Ausgangslage und der noch jungen Projektgeschichte äusserst positiv überrascht und tief beeindruckt.

Der erste Eindruck des Schulhauses von aussen mit seinen vergitterten Fenstern und Eingängen erinnerte mich eher an ein Gefängnis. Auch das Innere des Gebäudes ist für unsere Verhältnisse sehr nüchtern gehalten und beschränkt sich ausschliesslich auf funktionale Aspekte. Ausser einigen Plakaten keine Bilder, keine Pflanzen, keine Sitzgelegenheiten. Einfach gekachelte Gänge mit hellblauen Wänden und schummrigem Neonlicht. Und ein ganz gewichtiger Mangel wird relativ schnell spürbar. Dem Schulhaus fehlte schlicht einen Heizung und obschon draussen die Sonne schien, erreichten die Temperaturen im Innern an diesem kühlen und windigen Frühlingstag keine 16 Grad! Der freundliche, aber sehr förmliche Empfang beim Direktor vermochte dann die Stimmung etwas zu erwärmen und gespannt ging es weiter in die zwei sogenannten Labors, in welchen die angehenden Informatiker/innen aufgeteilt in zwei Gruppen ihre praktische Ausbildung erhalten. Und was ich da erleben durfte, hat mich wirklich beeindruckt. Da sitzen die jungen Lernenden dick eingepackt in Winterjacken und mit Schal an ihren Computern und trotzen den widrigen Umständen mit Verständnis, grossem Interesse, mit viel Engagement, Konzentration und Motivation. Meine verwöhnten Lernenden in der Schweiz wären schon lange von dannen gezogen. Ganz grossen Respekt zolle ich aber den beiden jungen Berufsbildnerinnen (jawohl, auch die Coaches sind Frauen), die mit viel Einsatz, Herzblut und Engagement einen, für albanische Verhältnisse komplett neuen Ansatz mit der praktischen Ausbildung, umsetzen. Vor diesen beiden Frauen ziehe ich den Hut, denn wenn ich mich an meine eigenen ersten methodisch, didaktischen Gehversuche in einer Lehrwerkstätte vor bald 15 Jahren erinnere, dann bin ich mir den Schwierigkeiten und Herausforderungen durchaus bewusst. Und ich durfte damals auf ein wesentlich komfortableres Umfeld zählen und zudem ist der Ansatz mit der praktischen Arbeit bei uns seit Generationen etabliert und akzeptiert. Auf jeden Fall freue ich mich riesig, dieses tolle Projekt und die Berufsbildnerinnen in den nächsten Tagen unterstützen zu dürfen.

  

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