Montag, 12. Oktober 2015

vom aufbau des neuen menschen...

Seit 2012 hatte ich mehrfach die Gelegenheit, sowohl beruflich wie auch privat nach Albanien zu reisen. Doch erst dieses Jahr habe ich zum ersten Mal die Nationale Kunstgalerie (Galeria Kombëtare e Arteve) in Tirana besucht. Das Betrachten der Gemälde hat bei mir sehr ambivalente Gefühle ausgelöst. Ein wahres Wechselbad zwischen Faszination, Abscheu und Schauder.

Der Kommunismus im Osten und der Kalte Krieg haben auch meine Jugendzeit geprägt. Der politische Grundtenor im Westen war damals ziemlich klar und alles Böse kam aus dem Osten. Auch die Berichterstattung in den Medien untermauerte dieses Bild. Und ohne Internet oder die Möglichkeit von Reisen in den Ostblock war eine neutrale Meinungsbildung praktisch nicht möglich. Erst meine Reisen nach Lateinamerika liessen mich um die Jahrtausendwende kritisch über gewisse Missstände und die Ungerechtigkeit des Kapitalismus nachdenken. Interessanterweise zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Berliner Mauer schon lange gefallen war und auch die über 45 Jahre anhaltende Diktatur in Albanien schon über zehn Jahren zu Ende war.

Und genau dieser Hintergrund macht den Besuch des Kunstmuseums in Tirana so interessant und eindrücklich. Die riesigen Gemälde im Stil des sozialistischen Realismus zeigen das damalige Verständnis vom Aufbau eines neuen Menschen. Die Gleichberechtigung der Geschlechter und der technologischer Fortschritt als zentrale Themen der Gemälde wären ja grundsätzlich ganz positive Aspekte. Doch die düsteren Farben, die ernsten, versteinerten Gesichter und die Allgegenwart von Waffen und Uniformen wirkt zumindest auf mich doch sehr kalt, lebenswidrig und löst irgendwie ein beklemmendes Gefühl aus. Aktuelle Bilder aus Nordkorea huschen vor meinem inneren Auge vorbei. Die frische Luft und die weiten, offenen Plätze in Tirana bekommen mir beim Verlassen der Galerie gut. Und vor allem bin ich froh, dass auch der Aufbau dieses neuen Menschen mit dem Ende der Diktatur in Albanien ein Ende gefunden hat.

Und ja, ich gebe es zu. Trotz striktem Verbot zum Fotografieren konnte ich es nicht lassen, einige Gemälde mit dem Mobiltelefon abzulichten. Ein Klick auf das Bild oben bringt dich zu einer Auswahl an Gemälden aus der Galeria Kombëtare e Arteve.