Ich weiss, eigentlich ist dieser Beitrag (mindestens aus sportlicher Sicht) ein alter Zopf. Die Schweiz hat inzwischen auch ihr letztes Qualifikationsspiel gegen Slowenien gewonnen und sich eigentlich ziemlich souverän für die Fussball WM 2014 in Brasilien qualifiziert. Nichts desto trotz gibt es in der Schweiz natürlich weiterhin unzählige Pessimisten, die von Losglück und einfacher Gruppe sprechen.
Egal, das soll hier nicht das Thema sein.
Gerne komme ich aber noch einmal auf die Begegnung Albanien - Schweiz vom 11.10.2013 hier in Tirana zu sprechen. Erstens, weil wir live im Stadion dabei sein durften und zweitens, weil so ein Fussballspiel halt doch mehr über soziale Zusammenhänge und Kultur preisgibt, als man vielleicht denkt.
Zuerst einmal war es sehr spannend, im Vorfeld des Spiels die Presse auf beiden Seiten zu beobachten. Während die Journalisten in der Schweiz von einem bevorstehenden Spiessrutenlauf im Hexenkessel von Tirana sprachen, ging es hier in Albanien wesentlich ruhiger zu und her. Man hatte die Tatsache akzeptiert, dass die Chancen für eine Qualifikation von Albanien praktisch gleich Null waren und dass die Schweiz spielerisch eine bessere Mannschaft hat. Im Vergleich zum Hinspiel im September 12 in Bern waren auch praktisch keine nationalistischen Töne zu hören. Damals wurden die Schweizer Spieler mit albanischen (oder besser kosovarischen) Wurzel heftig an den Pranger gestellt und gar als Verräter betitelt. Albanien stand damals vor den Wahlen und da kam so heimatliche Stimmungsmache gerade gelegen. Nun gut, die Wahlen sind Geschichte, die Machtverhältnisse neu verteilt und die neue Regierung scheint jetzt (richtigerweise) wichtigere Themen als Fussball auf der Agenda zu haben.
Erfreulich war dann die Berichterstattung in der Schweiz nach dem unerwartet freundlichen Empfang der Nati hier in Albanien. Eigentlich war nichts anderes zu erwarten, denn die Albaner sind wirklich extrem gastfreundlich und empfangen Gäste stets mit Respekt. Und ausserdem sind hier ja auch alle mächtig stolz auf ihren Shaquiri, Xhaka, Behrami und Kasami, auch wenn sie jetzt halt für die Schweiz spielen und eigentlich auch nicht Albaner, sondern Kosovaren sind. Und der Kosovo ist (noch) nicht als eigenständige Nation anerkannt und hat deshalb gemäss FIFA auch kein Recht, eine Nationalmannschaft in die Quali für die WM zu schicken. Aus albanischer Sicht sind das eben alles Albaner und wenn es sein muss, werden auch noch die Mazedonier Dzemaili und Mehmedi mitgezählt.
Aus diesem Blickwinkel mag es auch nicht erstaunen, dass dann am Spieltag unzählige Cars mit kosovarischen Nummernschildern in Tirana vorfuhren. Pristina ist ja gerade mal 3 Stunden Fahrt über eine topmoderne Autobahn entfernt. Auch wir waren auf der Tribüne (also auf den teuren Plätzen) von Kosovaren und Kosovarinnen umgeben. Wenn man aber dann genau hinhörte, hörte man da Ostschweizer-Dialekt und dort urchiges Berndeutsch. Subjektiv einfach im "falschen" Leibchen. Übrigens schätzte man auf Schweizer Seite, dass rund 300 der insgesamt 700 in der Schweiz verkauften Tickets an Schweiz-Kosovaren gingen. Entsprechend war auch der Sektor der Schweizer Fans vis a vis von unserer Tribüne nicht ganz so dicht besiedelt.
Nun gut. Im Spiel selber konnte man als Schweizer ja zuerst fast den Eindruck gewinnen, als hätten sich unsere Kosovaren vorgenommen, kein Tor zu schiessen. Shaquiri und Xhaka haben ja Grosschancen kläglich vergeben. Nach einem üblen Foul hat sich dann der Xherdan aber offenbar anders besonnen und das Leder zum 0:1 eingeschoben. Zuerst habe ich einige Sekunden gedacht, dass die Meute jetzt völlig durchdreht. Weit gefehlt. Viele haben sich sogar gefreut. Auch die Stimmung und die vielen freundschaftlichen Szenen auf dem Spielfeld waren sehr fair und vorbildlich. Klar, gab es im Stadion auch Pfiffe und Verräter-Sprechchöre (vor allem Behrami musste da einiges einstecken), aber solche Idioten gibt es ja auch bei uns in jedem Stadion.
Nach dem Spiel durften wir, gut erkennbar im Schweizer Dress, auf jeden Fall unzählige spontane Gratulationen und Shake-Hands entgegen nehmen. Sehr sympathisch! Auch andere Schweizer Fans berichteten uns nur von positiven Erlebnissen im Vorfeld des Spiels in Tirana. Und überhaupt. Entgegen unseren Klischees ist die persönliche Sicherheit (auch für Frauen) hier absolut kein Thema.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass eben nicht nur politische Konstrukte wie die EU (DER Traum aller Albaner) oder Entwicklungszusammenarbeit verbindet. Manchmal reicht einfach ein Fussballspiel, auch wenn ich dem machtbesessenen FIFA-Sepp aus dem Wallis nur ungern Recht gebe.
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