Sonntag, 29. September 2013

vom autofahren ...

Bei uns gibt es bekanntlich viele Klischees über Albanien und deren Bevölkerung. Das Rasen in teuren (manche behaupten auch geklauten) Edelkarossen gehört in diese Kategorie. In der Tat, das Auto ist dem Albaner heilig und Albanien ist das Land mit der höchsten Mercedes-Dichte. Nun, wo ich selber auf Albaniens Strassen unterwegs bin (mit einem Golf, nicht mit einem Merz), muss ich aber das Vorurteil mit der Raserei entkräften. Im Gegenteil. Die Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn beträgt 90 km/h und in der Stadt "nur" 40 km/h. Und die überwiegend grosse Mehrheit hält sich auch daran. Selbstverständlich gibt es auch hier Idioten auf der Strasse, aber im Grossen und Ganzen geht es in Bezug auf das Tempo eigentlich gesittet zu und her.

Trotzdem ist das Autofahren hier gewöhnungsbedürftig. Das hängt aber eher mit den Strassenverhältnissen und den anderen Verkehrsteilnehmern zusammen. Schlaglöcher, auf der Fahrbahn parkierte Autos, Schafherden oder Geisterfahrer gehören hier zum verkehrstechnischen Alltag. Da tut man wirklich gut daran, die vorgegebenen Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten. Dazu kommt, dass Albaner eben ganz leidenschaftliche Autofahrer sind, bei welchen das Auto ein wichtiges Statussymbol darstellt. Eigentlich erstaunt das aber wenig, wenn man sich vor Augen führt, dass der Besitz von Privatautos während den über 40 Jahren kommunistischer Diktatur und vollständiger Isolation verboten war. 1990, als die Diktatur schliesslich kollabierte, soll es in Albanien 600 Autos gegeben haben! Und nach dem Zusammenbruch des Regimes lernten die Menschen Autofahren hier eben nicht in Fahrschulen, sondern beim Fahren. Klar, dass der Einsatz der Hupe unbekannte Verkehrsregeln häufig ersetzt. Auch wenn also Kreuzungen und insbesondere Kreisel für den aussenstehenden (nicht-albanischen) Beobachter völlig chaotisch wirken, erlebt man als aktiver Fahrer im Gewühl doch viel Respekt und Nachsicht. Einfach immer schön den Blinker in die Richtung stellen, in die man fahren möchte, dann wird einem auch eine Lücke aufgemacht. Und schliesslich sind Kratzer oder Beulen das Letzte, was sich ein Albaner wünscht.

Das folgende Video habe ich heute Morgen aufgenommen. Irgendwie passt es gut zum Thema. Früh übt sich, wer ein guter Autofahrer werden will. Übrigens, auch der Besuch einer autoshkollë (Fahrschule) ist inzwischen an der Tagesordnung hier.



Ebenfalls heute ist uns ein Auto mit LU-Kennzeichen ins Auge gestochen. Bereits bei meinen früheren Einsätzen hier habe ich immer wieder mal Autos mit Nummernschildern aus der Schweiz oder anderen europäischen Ländern angetroffen. Eben, geklaut, könnte man denken (auch wenn es hier in diesem Fall ein Ford Fiesta und kein Mercedes war). Oder sind das doch Albaner, die in der Schweiz leben und jetzt in der Heimat sind? Oder sind es gar Touristen aus der Schweiz? Weit gefehlt! Denn wenn man dann etwas genauer hinschaut, handelt es sich bei diesen Nummernschildern häufig um selbstgefertigte Fälschungen. Der Grund ist denkbar einfach, wie mir von lokaler Seite erklärt wurde. Diese Autos mit ausländischen Kennzeichen sind hier in Albanien nicht registriert und damit bezahlt der Besitzer auch keine Steuern. So einfach ist das :-)

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