Montag, 28. Oktober 2013
unser besuch in kruja ...
Man sagt, wer Albanien bereist, der muss unbedingt auch Kruja resp. Krujë besuchen, denn dort gibt es das absolute Nationalheiligtum der Albaner zu bestaunen. Und genau das haben wir nun am vergangenen Sonntag endlich auch getan. Zuerst erlaube ich mir aber noch eine kurze Bemerkung zur Schreibweise der albanischen Ortsnamen, denn diese spiegelt eine interessante grammatikalische Regel wieder, wie wir sie aus dem Deutschen nicht kennen und wie wir sie bis jetzt noch in keiner Sprache angetroffen habe.
Im Deutschen steht vor einem Substantiv (Hauptwort oder Dingwort) jeweils ein Artikel, wobei wir zwischen unbestimmtem Artikel (z.B. ein Tag) und bestimmtem Artikel (der Tag) unterscheiden. Diese Unterscheidung gibt es auch im Albanischen. Die bestimmte Form wir hier allerdings gebildet, indem dem Substantiv eine, vom Geschlecht abhängige Endung angehängt wird. So heisst also zum Beispiel ein Tag një ditë und der Tag dita. Irgendwie wird diese Regeln dann auch auf Eigen- und Ortsnamen angewendet, wobei für männliche Ortsnamen in der Regel die unbestimmte Form und für weibliche Ortsnamen die determinierte bestimmte Form verwendet wird. Da soll einer noch draus kommen! Egal, das ist der Grund, weshalb man grundsätzlich zwei Formen von Ortsnamen antrifft. Tirana kann auch Tiranë sein oder aus Durrës wir ab und zu auch Durrësi. Nebenbei bemerkt ist das auch der Grund, weshalb Stephan hier der Stephani ist :-)
Nun aber zurück zu Krujë. Kruja ist eine Stadt mit rund 16'000 Einwohnern und sie liegt rund 20 Kilometer entfernt von Tirana am Abhang der Skanderbeg-Berge hoch über der Küstenebene. Aus der Festung von Kruja organisierte der albanische Nationalheld Skanderbeg über Jahrzehnte erfolgreich den Widerstand gegen die Türken. Im Vergleich zu unserem Wilhelm Tell nahm dann die Geschichte eine etwas andere Wendung, denn nach dem Tod von Skanderbeg besetzten die Türken das gesamte Gebiet von Albanien und beherrschten es über 400 Jahre. Und genau für diesen Skanderbeg wurde in den Ruinen der ehemaligen Festung von Kruja ein imposantes Museum gebaut, welches wir natürlich besuchen wollten. Wenn wir schon bei der Grammatik sind: der Konjunktiv in meinem Satz lässt erahnen, dass es bei einem Versuch geblieben ist. Doch eins nach dem anderen...
Die Fahrt mit unserem Auto nach Kruja gestaltete sich ausser einem kleinen Umweg eigentlich ganz gut und abwechslungsreich. Spannend sind vor allem die letzten Kilometer, auf welchen sich die Strasse wie auf einen Pass hochwindet. Nur die Qualität der Strasse ist nicht ganz vergleichbar und wie immer gilt es achtsam zu sein, damit man die Löcher und fehlenden Senklochdeckel frühzeitig erkennt oder bei unerwartetem Gegenverkehr rechtzeitig zum Stillstand kommt. Nach einigen Kilometern erreicht man dann eine Art Hochplateau und uns wurde ein erster, überraschender Ausblick auf die Stadt gewährt. Direkt vor einer fantastischen Steilwand liegt eine Stadt, in welcher sich traditionelle alte Steinhäuser, üble Plattenbauten aus der kommunistischen Zeit und fast noch üblere Hochhäuser aus der jüngsten Vergangenheit ohne sichtbares Konzept aneinanderreihen. Irgendwie eine Mischung aus Bettmeralp, Crans Montana und Avoriaz. Nur ohne Skilifte und Touristen in Pelzmänteln.
Nachdem wir unser Auto direkt neben einem auf dem Trottoir weidenden Kalb parkiert hatten, gönnten wir uns auf einer Terrasse mit herrlicher Aussicht zuerst einen Kaffee. Auch als der Muezzin zum Mittagsgebet rief (eine Konsequenz aus 400 Jahren türkischer Besetzung, von der Mehrheit der albanischen Bevölkerung aber weitgehend ignoriert), schöpften wir noch keinerlei Verdacht auf den zeitlichen Irrtum, der uns noch erwarten sollte. Vom Koffein gestärkt, kämpften wir uns dann durch die historische und sehr schöne Basarstrasse am Fusse des Burghügels. Neben viel Kitsch gäbe es hier wirklich auch viele antike und tolle Sachen zu kaufen. Da wir aber bereits bei unserem Hinflug mach Albanien Übergewichtzuschlag bezahlt hatten, waren die alten Radios, Instrumente, Bücher oder die hübschen Holzschatullen in diesem Moment für uns kein Thema.
Endlich waren wir nun also in der Festung angekommen, als wir am Eingang des Museums das Schild erblickten, wonach das Museum um 13.00 Uhr schliessen würde, um dann nach der Mittagspause um 15.00 Uhr erneut zu öffnen. Die Uhr von Veronika zeigte in diesem Moment 12.55 Uhr und folgerichtig entschieden wir uns, in einem der nahe gelegenen Restaurants etwas zu essen. Zuerst staunten wir schon ein wenig, dass wir die einzigen Gäste waren. An der Qualität des Restaurants konnte es nicht gelegen haben, denn das Essen war einmal mehr vorzüglich. Mit der Zeit gesellten sich dann auch noch weitere Familien ins Restaurant und ob dem Ramba-Zamba der vielen lauten Kinder waren wir nicht unglücklich, endlich die Rechnung zu begleichen. Noch ein kurzer Blick auf das iPhone und oha! Dieses zeigte 13.10 Uhr an! Nun fiel es uns plötzlich wie Schuppen von den Augen. Alles klar. In der vergangenen Nacht wurde auch in Albanien auf Winterzeit umgestellt, was das iPhone im Vergleich zu uns und zur mechanischen Uhr von Veronika natürlich automatisch bemerkt hatte.
Nun gut. Wir mochten nicht noch einmal zwei Stunden warten und so begaben wir uns, was den Museumsbesuch anbelangte, unverrichteter Dinge auf den Heimweg nach Durrës. Auch ohne Besuch im Skanderbeg-Museum war es ein absolut spannender Tag voller neuer Eindrücke. Wir sind sicher, dass wir diese spezielle, irgendwie skurrile aber äusserst spannende Stadt wieder einmal besuchen werden und mit einem etwas besseren persönlichen Zeitmanagement, wird dann sicher auch ein Besuch im Museum möglich sein.
Übrigens, das Kalb war bei unserer Abfahrt in Kruja noch immer auf dem Trottoir!
Autor:
Stephan
Destination:
albanien
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